Karl Gutzkow                         An Georg Herwegh. Zu Neujahr 1843

1811 – 1878

Verwelkt sind schon die grünen Tannenzweige,

Die man mit Weihnachtslichtern dir bescheert;

Von Bundesmahlen, wo man Dich geehrt,

Blieb nichts zurück als die Philisterneige.

 

Verfluch die Töne deiner Zaubergeige!

Das ist ein Volk, der Dichterhand nicht werth!

Wie hat sich das im Nu so umgekehrt!

Erst straßendreist und nun so straßenfeige!

 

Vielleicht ergötzt Dich schon das Lärmgetriebe,

Vielleicht stehst lächelnd Du am Zürich-See

Und denkst: In Alpen mögt ihr mich verbannen!

 

Denkst: Bleibt mir nicht noch eine Siegstrophäe,

Aus düsterm Nadelholz der märk’schen Tannen

Ein Weihnachtszweig, die dort gefundne Liebe?

 

 

 

 

 

 

 

Karl Gutzkow                         Wär’ ich und Hätt’ ich

1811 – 1878

Mit Zeitenschatten sich herumzuschlagen,

In Dingen wühlen, die nicht mehr zu ändern,

Zu schauen von des Augenblicks Geländern

Tief schwindelwärts auf alte Lebenslagen –

 

Das sei nur Torheit, hör’ ich viele sagen,

Und heiße gehn an ew’gen Gängelbändernd:

Wer würde sich mit längst verfallnen Pfändern,

Sie einzulösen, wenn zu spät, noch plagen!

 

Und dennoch weil’ ich gern im Längstverstorbnen

Und ritze noch am alten Dorn mich immer.

Ich bin der Tor, zu glauben an die Schimmer

 

Von Zukunftstagen, palmenduftdurchwobnen,

Wo uns die Himmlischen die Wonne geben,

Was hier verfehlt, noch einmal durchzuleben.